Umgeben von reichen Urlauber_innen fahren wir mit der Fähre von Athen nach Lesbos. Wir fühlen uns fremd und unwohl. Trotz Bilder und Erfahrungsberichten können wir uns nicht wirklich ausmalen, was auf dieser Insel auf uns zukommen wird. Noch viel weniger können wir uns vorstellen wie es sich richtig anfühlen kann, Urlaub auf einer Insel zu machen, auf der Tausende von Flüchtende unter miserablen Zuständen seit Monaten, einige seit über einem Jahr, festsitzen. Insgesamt sind auf den Ägäischen Inseln über 15.000 Flüchtende gefangen. (Quelle: Pro Asyl)
Etwa 12 Stunden dauert die Überfahrt von Athen und als wir ankommen, sehen wir in naher Entfernung schon die die Türkei. Doch zunächst springt uns das Frontex-Schiff mit der Aufschrift „BORDER PROTECTION“ ins Auge. Ein netter Name für das, was sie tun, wie Menschen in überfüllten Schlauchbooten am Anlegen zu hindern.
Als wir auf den Bus zur No Border Kitchen warten, treffen wir einen Flüchtenden, der für seinen 1. Interviewtermin ins Moria-Camp fährt. Leben möchte und kann er dort nicht, die Bedingungen sind so schrecklich, dass er es nicht aushält. In unserem Bus sitzen nur Flüchtende – Griech_innen nehmen andere Buslinien.
Als wir aussteigen und den NoBorder-Squat sehen, können wir es kaum glauben.
Etwas aufgeregt und ein wenig stolz zeigt uns einer der Helfenden, der seit knapp einem Jahr dort lebt, das Gelände, das aus 2 großen und einer etwas kleinere Ruine besteht. Nur eine kleine Olivenbaumplantage trennt den Squat vom Meer. Etwa 100 Flüchtende und einige Europäer_innen leben hier und im ersten Moment fühlen wir uns sehr unwohl mit der Vorstellung, dass das auch erstmal unser Zuhause sein wird. Wir schlafen mit 6 anderen in einem kleinen muffigen Container auf dem Dach des Hauptgebäudes. Je nach Herkunftsland teilen sich die Flüchtenden die Gebäude untereinander auf. Anfangs sind wir geschockt von den Umständen und der Tatsache, dass nur Männer* hier leben. Wir haben auch ein bisschen Angst. Doch schon ein paar Stunden später ist der erste Schock verdaut und wir haben uns schnell an die Umstände gewöhnt.
Es fühlt sich falsch an, dass die Flüchtenden hier wie in einem Gefängnis festsitzen und wir jederzeit den Squat und die Insel verlassen können. Wenn die Flüchtenden versuchen, die Fähre zu nehmen, kommen sie zunächst ins Gefängnis des Moria-Camps. Ein Flüchtender zeigt mir seine Narben von den Misshandlungen der griechischen Polizei, die zu fünft auf ihn einschlugen und -traten und ihm dort Brust und Bein brachen. Anschließend werden sie in die Türkei abgeschoben, wo sie für etwa 1 Jahr inhaftiert werden, bis sie in ihre Heimatländer deportiert werden. Wenn sie beispielsweise aus Marokko kommen, werden sie auch dort nochmal für 2 Jahre ins Gefängnis gesteckt. Ein Marokkaner zeigt bei einem Gespräch weitere Narben. Die Polizei hat brennende Zigaretten auf seinen Armen ausgedrückt. Als er sich weigerte, sich Handschellen anlegen zu lassen, versuchten sie ihm die Hände abzuschneiden. Unfassbar und kein Einzelfall. „Sie hätten ihr Heimatland ja nicht verlassen und später nicht versuchen müssen, eine Fähre zu betreten…!“ Flüchtende aus Marocco und Algerien haben keine Chance auf Asyl in Europa. Und sogar Menschen aus dem von Taliban terrorisierten Afghanistan wird kaum noch kein Bleiberecht gewährt. Ihnen bleibt nur, den illegalisierten Weg mit großen Risiken zu versuchen oder viele Monate lang auf ihre Abschiebung zu warten.
zur Situation in Afghanistan: Afghanistan ist nicht sicher!